Keine Krisenlösungen ohne soziale Infrastruktur

Interventionistische Linke Bielefeld, Redebeitrag, Genug ist Genug 26.11.2022

Hallo liebe Genoss*innen, Freund*innen, Interessierte, Betroffene,

wir befinden uns in einer Zeit der Dauer- und Vielfachkrisen. Diese Krisen hängen miteinander zusammen, sie verstärken sich und sind daher politisch besonders herausfordernd. Wir müssen uns darum bemühen, die Zusammenhänge, Widersprüche und Abhängigkeiten zu berücksichtigen. Wir müssen im Blick behalten, wer ist neben mir und – wenn auch nicht auf gleiche Weise – auch davon betroffen. Wir müssen uns zusammentun.Während die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die noch längst nicht vorbei ist, in den Krankenhäusern, Pflegeheimen, Kitas und Schulen noch deutlich spürbar sind, stehen die nächsten Krisen schon ins Haus. Verfehlte Gesundheits- und Versorgungspolitik trifft Pandemie-Politik trifft Klima- und Energiepolitik und viele weitere beteiligte Politikfelder. Nicht nur beim Einkauf im Supermarkt oder auf der Heizkostenabrechnung machen sich die wiederkehrenden Krisen bemerkbar.

Auch soziale Einrichtungen und die allgemeine Versorgungsinfrastruktur leiden massiv unter Einsparungen, Kürzungen und mangelndem Ausbau. Darauf wollen wir heute ein Schlaglicht werfen.Die politisch verursachten Krisen werden auf Individuen und ins Private abgewälzt. Diese problematische Trennung von Öffentlichkeit und Privatsphäre/Individuum ist in den kapitalistischen Strukturen auch eng mit den ungleichen, patriarchalen Geschlechterverhältnissen verbunden. Das heißt, dass insbesondere arme oder armutsgefährdete Frauen und Alleinverantwortliche mit Kindern von den steigenden Preisen für Lebensmittel und Energie besonders stark betroffen sind. Gleichbleibende Löhne und nicht an die Inflation angepasste Sozialleistungen verstärken ohnehin schon prekäre Lebenssituationen.Uns als Privatverbraucher*innen werden im Moment allerorts Spartipps nahegelegt. Aber wir fragen uns: wo sind die Spartipps und Kürzungsideen für diejenigen Industriesektoren und Produktionen, die nicht für das gute Leben für Alle notwendig sind. Wir wüssten da ein paar Adressen – looking at you RWE, Rheinmetall, Deutsche Wohnen und Lufthansa, um nur wenige zu nennen. Ihnen stünde es gut, tatsächlich wirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen.Es ist die große Stärke der linken und emanzipatorischen Positionen, diese Verbindungen immer wieder aufzuzeigen. Denn die Antworten der parlamentarischen Politik bezwecken Trennungen und Vereinzelung. Mit Veranstaltungen wie diesen versuchen wir, uns zu verbünden. Nehmen wir uns also die gemeinsame Auseinandersetzung über die Zeit des akuten kalten Herbstes und Winter hinaus zum Ziel! Dieser Redebeitrag kann nur ein erster Anfang sein für viele weitere notwendige Gespräche, Ideen und Vernetzungen. Wir wollen einmal eine unvollständige Liste aufzählen von einigen Einsparungen im sozialen Bereich, die wir uns nicht leisten können. Auch in dieser Krise sollten sie von uns berücksichtigt werden, weil wir es von anderer Seite nicht erwarten können, wie uns die letzten Jahre gezeigt haben:

– Es braucht eine zugängliche, bedarfsgerechte, ausfinanzierte und gemeinwohlorientierte Gesundheitsinfrastruktur. Keine Profite mit unserer Gesundheit! Krankenhaus statt Fabrik!

• Denn eine Notaufnahme bringt nichts, wenn Klinikschließungen zu langen Anfahrtswegen führen und Krankenhäuser Notfälle ablehnen müssen, weil zu wenig Betten oder zu wenig Personal für die Versorgung vorhanden sind.

• Der Rechtsanspruch auf die Begleitung einer Schwangerschaft sowie der Zeit während und nach der Entbindung bringt nichts, wenn knapp die Hälfte der Schwangeren keine Hebamme in ihrer näheren Umgebung finden konnte.

– Es braucht ausreichend Kitaplätze und eine angemessene personelle, zeitliche und räumliche Ausstattung!o Denn der Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz für Kinder ab 1 Jahr bringt nichts, wenn 2023 fast 400.000 KiTa-Plätze und 100.000 Fachkräfte für die Betreuung der Kinder fehlen werden.

• Der bevorstehende Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz für jedes Grundschulkind bringt nichts, wenn die räumliche und personelle Ausstattung in den nächsten 2 Jahren nicht massiv ausgebaut werden.

– Es braucht flächendeckend sozialen Wohnungsbau, bezahlbaren Wohnraum und ein Gewinnverbot. Keine Profite mit der Miete!

– Es braucht zugängliche und tatsächliche Schutzräume vor Gewalt. Keinen Rückbau der Frauen*häuser!

Die Last der Krisen darf nicht weiter auf den Schultern der ohnehin gefährdeten und prekären Gruppen und Infrastrukturen ausgetragen werden. Die Verursacher_innen müssen Verantwortung übernehmen – das heißt etwa auch die Besteuerung von Reichtum und Übergewinnen, die Umverteilung nach unten und zu Gunsten der Vielen zu fordern und grundlegende soziale Infrastrukturen zu vergesellschaften. Dabei gilt: Die Bewältigung der Krisen muss solidarisch, internationalistisch, anti-rassistisch, antikapitalistisch und feministisch sein! Genug ist Genug!